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Serie: Guter Reisefilm – Teil 3: Nicht nur filmen, auch nachbearbeiten

Der dritte Teil der Serie „Was ist ein guter Reisefilm“ beschäftigt sich mit der Nachbearbeitung. Die Statistiken besagen, dass 90% der gedrehten Aufnahmen im Urlaub in den Schrank wandern und höchstens einmal kurz nach der Reise angeschaut werden. Warum eigentlich? Das Nachbearbeiten von Aufnahmen, damit daraus ein fertiger Film entsteht, ist nicht so schwierig wie viele Leute denken. Früher hat man eine große Anzahl an verschiedenen Geräten benötigt, heute genügt neben der Kamera ein Laptop und ein Nachbearbeitungsprogramm und schon kann ich loslegen. Hier will ich Euch einige Tipps verraten, damit das Ergebnis auch entsprechend ansehlich wird.

Aus dem Urlaub zurück, lasse ich die Aufnahmen am besten etwas liegen. Warum? Je lebhafter die Erinnerung kurz nach dem Urlaub ist, desto schwerer tue ich mich mit weglassen von Aufnahmen. Einige Monate später ist die Erinnerung verblasst, es bleiben nur wichtigere Ereignisse aus dem Urlaub haften und ich kann meinen Film wesentlich kürzer und interessanter gestalten. Meinen Zuschauern geht es nämlich gleich, was mir nach Monaten nicht mehr interessant erscheint, ist auch nicht für meine Zuschauer interessant.

Das Nachbearbeiten von gedrehten Aufnahmen besteht im Prinzip aus den folgenden Schritten:

  1. Zu lange Szenen kürzen
  2. Uninteressante Szenen weglassen
  3. Die Aufnahmen in eine filmische Ordnung bringen
  4. Durch Feinschnitt fertigstellen
  5. Kommentar hinzufügen
  6. Live Geräusche anpassen und zusätzliche Geräusche einspielen
  7. Musik auswählen und für den Film entsprechen anpassen
  8. Titel gestalten und in den Film einfügen (4. Teil)
  9. Film zusammenbauen, fertig stellen und ausgeben (4. Teil)

Nachdem ich alle diese Punkte erledigt habe, sollte ich einen fertig geschnitten und vertonten Reisefilm haben, den hoffentlich alle Beteiligten interessant finden und den ich auch weiteren Zuschauerkreisen zeigen kann.

Schnitt

Die ersten 4 der oben aufgeführten Punkte gehören alle zum allgemeinen Thema Schnitt.

Was ich nicht habe, das kann ich noch mit Schnitt wettmachen. Das gilt nur bedingt. Im Spielfilm kann man mit schnellem Schnitt einige Unzulänglichkeiten kaschieren, bei der Reisedokumentation gilt das eher für den Kommentar, da kommen wir noch dazu. Beim Schnitt gilt, je ruhiger die Szenerie, desto ruhiger sollte der Film durch längere Schnittfolgen das unterstützen. Je hektischer das Geschehen, desto kürzer kann ich schneiden, um die Hektik noch mehr zu verdeutlichen. Bin ich in einem Schlosspark, wo ausser einigen Figuren und Fontänen nichts ist, hat es keinen Sinn einen Sekundenrhythmus schneiden zu wollen. Hier sind 4-6 Sekunden eher geeignet. Aber eine ruhige Aufnahme, in der sonst nichts passiert, sollte ich auch nicht länger stehen lassen. Nur wenn ich einen Schwenk mache oder vom Objekt wegzoome, sollte ich das auch beenden und nicht mitten drin schneiden und dann vielleicht noch auf eine ruhige Aufnahme. Filme ich dagegen auf einem orientalischen Markt, wo Hektik pur herrscht, Marktschreier sich gegenseitig übertönen, dann kann ich zu 1-2 Sekunden Schnittrythmus durchaus gehen, denn ich werde damit die Hektik noch unterstreichen. Dann kann ich auf problemlos aus der Hand ohne Unterstützung drehen, denn die Wackler wird der Zuschauer hier nicht merken.

Damit ist also klar, was ich mit Szenen kürzen meine. Uninteressante Szenen weglassen ist da auch schon beinhaltet, heisst allerdings nicht nur verwackelte oder sonst unbrauchbare Szenen weglassen, sondern auch alle Szenen, die nicht zum Geschehen passen oder die Reisedokumentation nichts vorwärtsbringen. Filmische Ordnung heisst für mich, dass ich die Szenen nicht in gedrehte Reihenfolge bringe, sondern dass ich die Szenen so hintereinander montiere, dass es filmisch Sinn ergibt. Der letzte der erwähnten Punkte erfolgt sehr häufig erst nach dem Einfügen von Kommentar und Musik, da sich dadurch oft noch Szenen ändern. Du solltest aber schon beim Grobschnitt überlegen, was Du später im Kommentar dazu sagen möchtest, damit Du beim Feinschnitt nicht nochmals alles umwerfen musst.

Kommentar

Ein Kommentar sollte nicht wegen des Kommentar willens sein. Er sollte auch nicht die Bilder beschreiben, sondern sollte ergänzende Informationen zur Reisesdokumentation bringen. Das können einmal kurze Geschichten zum Ort des Geschehens sein oder die Geschiche einer Stadt nochmals verdeutlichen oder zusätzliche Informationen, die nicht im Bild zu sehen sind. Ein großes Problem im Kommentar sind immer wieder Jahreszahl und Maße. Das menschliche Gedächtnis kann sich immer nur eine bestimmte Menge an solchen Informationen merken, ich sollte den Zuschauer damit also nicht überfrachten. Bloße Aufzählung von Jahreszahlen sorgt bei Zuschauern immer für ein Gähnen, viel besser ist es hier die Jahreszahlen in einen geschichtlichen Vergleich zu bringen. Filme ich eine Kirche, die aus dem 15. Jahrhundert stammt, dann macht es keinen Sinn im Kommentar zu sagen: „Mit dem Kirchenbau wurde am 1. Juli 1475 begonnen und der Bau wurde am 31. Dezember 1515 fertig“, denn das kann sich keiner merken. Es genügt vollkommen zu sagen: „die Kirche stammt  aus dem Mittelalter“ oder „aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Bei Maßangaben ist es ähnlich. Bei der Größe ist immer ein guter Vergleich die Größe eines Fußballfeldes, denn das können sich viele Menschen gut vorstellen.

Da mein Reisefilm meine Eindrücke schildert, spreche ich den Kommentar immer selber. Natürlich kann man den Kommentar einem professionellen Sprecher schicken, der das viel besser machen kann, aber da kommt es mir viel mehr darauf an, dass meine persönliche Note des Films auch durch den Kommentar unterstützt wird. Was man auf jeden Fall machen sollte, ist die Investition in ein gutes Mikrofon. Das muss nicht gleich hunderte Euro kosten, aber ein 10 Euro Mikro macht Deine Stimme nicht gerade besser. Vieles kann man dann auch noch nachbearbeiten. Da meine Stimme immer viel zu dunkel ist, tue ich sie nachträglich in einem Soundprogramm nachbearbeiten, indem ich die Höhen etwas anhebe und die Bässe absenke. Aussedem schneide ich dann den Kommentar zurecht. Bei der Kommentaraufnahme solltest Du nicht glauben, dass Du das frei Schnauze aufnehmen kannst. Ein Kommentar muss vorher aufgeschrieben werden. Aber bitte nicht wie einen Artikel schreiben, sondern die geschriebenen Sätze immer wieder vorsprechen, sie müssen sprechbar sein und zwar für die eigene Stimme und Person. Natürlich versprichst Du Dich während des Kommentars. Ich mache das so: Wenn ich mich dreimal hintereinander bei der gleichen Stelle verspreche, schreibe ich den Satz um, um mein Unvermögen, diesen Satz zu sprechen, zu kaschieren. Einige Leute sprechen durchgehend und schneiden dann die Versprecher aus. Ich spreche immer nur einen Satz, die Sätze habe ich auch durchnummeriert, dann habe ich auch gleich einen Dateinamen.

Noch ein wichtiger Tipp: Ich schreibe immer grundsätzlich mehr Kommentar als eigentlich nötig ist. Dann habe ich später beim Einpassen des Kommentars in den Film immer noch die Möglichkeit einer Auswahl, falls ein Satz nicht zum Bild passt. Ist der Satz zu lang, dann schneide ich auch oft ab, so dass man das aber natürlich nicht merkt. Oft schneide ich auch die Sprechpausen weg, damit ich besser einpassen kann. Ein anderer Trick ist es natürlich die Aufnahme zu verlängern, falls möglich, oder den Kommentar 1 oder 2% schneller laufen zu lassen. bis zu 5% merkt der Zuschauer nicht, dass der Kommentar schneller läuft.

Geräusche

Im Normalfall sind die Geräusche die Live Atmosphäre, die beim Filmen eingefangen wird. Deshalb denkst Du jetzt wahrscheinlich, was soll ich mit Geräuschen, die sind ja schon drauf. Das stimmt nur bedingt. Oft ist es so, dass zwar die Atmosphäre drauf ist, mit allen Geräuschen, allerdings oft die Falsche. Die Kamera fängt ja nicht nur Geräusche vor der Kamera, sondern oft auch hinter der Kamera ein. Das ist z.B. ein vorbeifahrendes Auto, dass man im Bild aber gar nicht sieht. In diesem Fall ist das Geräusch im Film eher störend, als dem Film zuträglich. Was soll ich also machen? Ich renne ja beim Filmen nicht auch noch mit einem externen Aufnahmegerät für Ton rum. Oft ist es so, dass die Geräusche einer Szene nicht szenenrelevant sind, ich sie also ersetzen kann oder auch an anderen Stellen verwenden kann. Bei der Nachbearbeitung muss ich da einfach Bild und Ton trennen und den Ton wegnehmen. Da es allerdings eine Stille nicht gibt, brauche ich ein anderes Geräusch, dass ich vielfach von einer anderen Szene nehmen kann. Oft ist es auch so, dass eine Verkürzung einer Szene filmisch ok ist, ich kann aber den Ton durchaus weiterverwenden für die nächste Szene. Bei einer allgemeinen Stadtgeräuschkulisse kann ich das durchaus öfter anwenden, so das die Geräusche zu einer anderen Szene passen. Dann ist es vielfach so, dass die Geräusche eine sehr unterschiedliche Lautstärke haben. Dem kann ich begegnen, indem ich die laute Geräuschkulisse an die leisere der Szene vorher oder nachher anpasse. Damit keine Tonsprünge entstehen, kann ich mir auch behelfen, ich kann den Ton auch überblenden, um solche Sprünge im Ton wegzunehmen und damit vom Ton her, den Film flüssiger zu machen.

Musik

Möchte ich die Aussage der Bilder verstärken, so werde ich mir überlegen, passende Musik zu unterlegen. Passend kann heissen, dem Land oder dem Ort entsprechend, z.B. wenn Paris oder Frankreich das Thema ist, dass ich dann entsprechende französische Musik verwende. Bei Prag muss es aber nicht unbedingt die Moldau von Smetana sein, ebenso wenig wie „In München steht ein Hofbräuhaus“, wenn es um München geht. Ein wichtiger Tipp: Es sollte möglichst Instrumentalmusik sein und sie sollte nicht unbedingt zu bekannt sein. Problematisch kann es bei bekannter Filmmusik sein, da diese automatisch mit dem Film, aus dem sie stammt, assoziiert wird. Dann gibt es natürlich noch das GEMA Problem. Will ich den Film auch ausserhalb meines Familienkreises, also öffentlich, dann sollte ich am Besten GEMAfreie Musik verwenden, sonst kann ich durchaus Probleme bekommen. Im Internet findet man unter diesem Stichwort viele Links zu guter Instrumentalmusik, die GEMAfrei ist.

Damit habe ich die wichtigsten Aspekte beim Nachbearbeiten eines Reisefilms abgedeckt. Jetzt brauchen wir noch einen Titel und das Ganze muss zum fertigen Film zusammengebaut und ausgegeben werden. Dazu abschließend im vierten Teil meiner Serie „Guter Reisefilm“.

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