Serie: Guter Reisefilm – Teil 2: Die komplette Reisedokumentation
Im zweiten Teil meiner Serie über den guten Reisefilm erkläre ich Euch, wie Ihr eine komplette Reisedokumentation so erstellen könnt, dass neben Familie und Mitreisendden, auch Zuschauer, die bei Deiner Reise nicht dabei waren, es interessant finden. Was heisst aber komplette Reisedokumentation? Im Gegensatz zum ersten Teil, wo ich erklärt habe, wie Du Einzelaspekte einer Reise zu einem interessanten Film zusammenstellt, will ich hier erklären, wie Du eine komplette Reise dokumentieren kannst, also sozusagen vom Start weg, bis zu einem interessanten Schluss.
Als Erstes müssen wir uns fragen, für wen eine solche komplette Dokumentation sein soll. Ist es ausschließlich nur die Familie und die Mitreisenden oder auch andere Personenkreise, die nicht dabei waren und es trotzdem interessant finden sollen? Ist es nur für Familie und Mitreisende, dann sollte die Reisedokumentation auch chronologisch sein, denn sonst werden sich die Beteiligten bei der Reisedokumentation möglicherweise nicht wiedererkennen. Chronologisch heisst in diesem Fall, die Dokumentation beinhaltet die Tage und die Stätten, die Du besucht hast, in der Reihefolge in der es auch wirklich war. Das kann natürlich sein, dass damit Höhepunkte, sowohl filmisch als auch reisetechnisch nicht richtig gesetzt sind, aber die Zuschauer werden zufrieden sein, weil sie die Reise nachvollziehen können. Ist die Reisedokumentation für ein größeres Publikum gedacht, die bei der Reise nicht dabei waren und damit auch nicht wissen, wie genau die Reise abgelaufen ist, kann man natürlich, und solltest Du auch, zu dem Trick greifen, dass Du die Dokumentation so gestaltest, dass es sowohl dramaturgisch als auch reisetechnisch einen interessanten Aufbau mit Höhepunkten hat.
Wie gestalte ich den Anfang des Films?
War es eine Busreise, könnte man den Anfang so gestalten, dass die Mitreisenden in den Bus einsteigen und der Bus dann losfährt. Vor dem Losfahren kannst Du noch eine Karte einblenden, die die Reiseeoute aufzeigt. Dafür gibt es spezielle Programme, die das sehr gut können, Du kannst Dir aber auch mit Google Earth oder Google Maps behelfen und die Reiseroute einzeichnen. War es eine Flugreise, so gilt das genau für die Reiseroute. Für die ersten Aufnahmen eignet sich hier natürlich der Abflughafen und anschließend einige Aufnahmen vom Flugzeug und der Ankunft am Ziel. Vorsicht ist hier am Flughafen geboten, bei Sicherheitskontrollen darf man genausowenig filmen, wie bei Passkontrollen und ähnlichen. Aber man könnte z.B. die Familie oder die Reisegruppe beim Einchecken zeigen. Frägt man hier das Bodenpersonal der Fluggesellschaft, haben die meistens nichts dagegen. Aufnahmen der Abflughalle mit dem Hinweisschild zum Ablug oder vom Flugzeug, das Du schon durch das Glasfenster siehst, ist auch ein guter Einstieg. Schau Dir als Beispiel meinen Reisefilm „as unique as you“ an, da habe ich auch zum Einstieg am Münchner Flughafen, dann in Dubai und später in Male gefilmt. Insbesondere die Anreise mit dem niedrig fliegendem Wasserflugzeug war natürlich filmisch interessant.
Wie beende ich meine Dokumentation über die Reise?
Im Gegensatz zum Filmanfang, wo Du ins Thema einführen willst, bzw. die Anreise zeigen willst, interessiert niemanden die Rückreise. Auch bei einer kompletten Reisedokumentation kann man am letzten Punkt der Reise aufhören, die Rückreise kann sich jeder dazudenken und ausserdem will keiner sehen, wie alle missmutig schauen, weil der Urlaub zu Ende ist. Ist die Reisedokumentation nun nur die Familie und Mitreisende, werde ich vermutlich am letzten Ort der Reise aufhören. Das weiss ich aber schon im Voraus, also kann ich auch entsprechend vor Ort schon filmische Höhepunkte suchen, damit später mein Film auch interessant zu Ende geht. Bei einer Reisedokumentation für einen größeren Personenkreis sollte ich mein gesamtes Material durchsehen, ob ich etwas finde, was filmisch gut gelungen ist, evtl. auch der interessanteste Punkt der Reise ist und damit einen guten Abschluss bilden kann. Das ist ganz wichtig bei einem Reisefilm, da die Zuschauer sich später oft nur an den Schluss erinnern und Du willst ja, dass sie sich positiv an die Dokumentation erinnern.
Was filme ich während der Reise?
Die Orte ergeben sich natürlich aus der Reiseroute, daran kann ich nichts drehen, ich kann aber, wie wir schon wissen, durchaus die verschiedenen gefilmten Orte und Ereignisse in der Reihenfolge verändern. Bei einer längeren Dokumentation, was meistens eine komplette Reisedokumentation ist, muss ich meinen Film, genauso wie die Reise in Abschnitte unterteilen. Später erkläre ich Euch noch, wie Du dann zu guten Übergängen zwischen den den Abschnitten kommst, zuerst aber zu den einzelnen Abschnitten. Jeden Abschnitt sollte ich entweder mit einer Landkarte beginnen, damit die Zuschauer wissen, wo sie sich gerade befinden, oder mit Übersichtsaufnahmen der Stadt, des Ereignisses usw. Die Zuschauer wollen sich ja schließlich orientieren. Denkt doch an Euch selber während der Reise. Wenn ich in eine neue Stadt komme, dann suche ich auch oft einen Stadtplan, oder schaue in den Stadtplan rein, um mich zu orientieren.
Als Nächstes sollte ich daran denken, jeden Abschnitt für sich interessant zu gestalten. Interesse erzeuge ich aber nicht mit lauter Weitwinkelaufnahmen. Ich muss also nähergehen, um verschiedene Vorgänge in der Stadt oder während eines Ereignisses mal genauer zu beleuchten. Das können Nahaufnahmen von Menschen am Markt sein, oder auch von dem dort ausgestellten Gut. Dann sollte ich darauf achten, dass nicht jeder Abschnitt gleich gestaltet ist, also etwas variieren. Hier hilft es natürlich, dass ich evtl. einzelne Abschnitte in der Reihenfolge umstellen kann, dass nicht alles gleichartig wirkt. Wenn ich also 5 Städte besuche und auch 5 Ausflüge in die Natur mache, dann sollten die Abschnitte abwechselnd sein, mit erst die 5 Städte, spätestens bei der dritten wird es für den Zuschauer langweilig. Genauso ist es, wenn ich 10 Kirchen besuche, nach der dritten Kirche schaltet der Zuschauer ab. Also muss ich von den Abschnitten her und auch innerhalb der Abschnitte immer abwechslungsreich bleiben. Denke daran, was Du während der Reise schon langweilig gefunden hast, wird im Film nicht besser. Bei 10 Kirchen fandest Du vielleicht 3 interessant, also tue auch nur 3 Kirchen in den Film rein.
Ein Abschnitt wird umso interessanter, je mehr Nahaufnahmen ich darin habe, lebt aber auch von der Abwechslung. Habe ich einen Abschnitt (also z.B. eine Stadt) nochmals in einzelne Sequenzen (Rathaus, Marktplatz, Kirche, Einkaufsstrasse) untergliedert, so muss ich hier darauf achten, dass ich von einer zur anderen Sequenz problemlos wechseln kann.
Übergänge
Damit wären wir bei den Übergängen. Innerhalb eines Abschnittes brauche ich sie bei Sequenzübergängen und dann natürlich bei den Wechseln zwischen den verschiedenen Abschnitten. Einfache und auch typische Übergänge sind Ab- und Aufblendung, Musikwechsel, neuer Kommentar usw. Aber wie kann ich einen Übergang auch filmsch gestalten? Eine Möglichkeit wäre das Aufnehmen der gleichen Dinge an verschiedenen Stellen. Wenn ich also einen Abschnitt mit einer Karte beende, könnte ich den nächsten wieder mit einer Karte, aber in einem anderen Ausschnitt oder Stil wieder beginnen. Beende ich einen Abschnitt mit untergehender Sonne, kann ich mit aufgehender Sonne aus einem anderen Winkel beginnen. Während bei Fotos Sonnenuntergänge oft verpönt sind, ist es beim Film immer wieder ein stilistisches Mittel, um von einem Tag zum Nächsten zu kommen. Denke an solche Sachen schon während der Reise und während des Filmens, denn das kann man schlecht in der Nachbearbeitung bereinigen. Einen Sonnenaugang kann ich nicht als Sonnenuntergang deklarieren und umgekehrt. Auch ein beliebter Schnitt für den Abschnittwechsel sind zwei aufeinanderfolgende Nahaufnahmen. Wenn ich mit Personen im Bild arbeite (Familienmitglieder, Reiseteilnehmer) dann eignet sich oft das Mittel eines Weggehens und wieder Kommens als zwei aufeinanderfolgende Aufnahmen für den Abschnittswechsel. Damit der Film interessant bleibt, kannst Du natürlich die verschiedenen beschriebenen Stilmittel variieren.
Stativ
Zum Thema Stativ gibt es unterschiedliche Meinungen. Einige Kameramänner können sich Naturaufnahmen von Seen, Tälern oder Bergen gar nicht ohne Stativ vorstellen. Ich sage Euch hier was anderes: Ich kann mir diese Aufnahmen verwackelt nicht vorstelle. Ob das Verwackeln nur durch ein Stativ eliminiert wird, ist relativ egal, denn es gibt andere Mittel. Wenn ich kein großes und schweres Stativ nicht mitschleppen will, kann ich auch ein kleines nehmen und dieses dann auf einen Stein, eine Bank oder etwas erhöhtes legen. Verbiegbare Stative im Stil vom Gorillapod eignen sich auch, ebenso ein Reissack, auf den ich die Kamera legen kann. Dann sind allerdings Schwenks streng verboten. Möchte ich schwenken, dann brauche ich ein großes Stativ mit einem Fluidkopf, sonst wird der Schwenk nicht gut aussehen. Da ich Zooms nur in Aufsnahmefällen mache, brauche ich auch nicht unbedingt eine Fernbedienung. Stehende Aufnahmen mache ich einfach länger, dann kann ich später den Anfangswackler vom Einschalten der Kamera wegschneiden.
Für verwackelte Aufnahmen gibt es auch noch einige Tricks, um diese nachträglich im Schnittprogramm zu eliminieren. Für die meisten Schnittprogramme gibt es Plugins zur „Beruhigung“ der Aufnahmen, Mercalli von ProDAD ist das sicherlich am öftersten verwendete Plugin. Ein kostenloser Trick, ist es, die Aufnahme langsamer abzuspielen, also mit 50% oder 33,3% der ursprünglichen Geschwindigkeit. Das geht allerdings nur, wenn sich nichts oder wenig im Bild bewegt. Sind Personen im Bild, so wirkt das unnatürlich.
Zusätzlicher Dreh
Bei einer kompletten Reisedokumentation ist es oft der Fall, dass ich noch nachträglich Szenen drehe. Ich meine damit nicht, dass ich da nochmals hinfahre oder hinfliege, ich meine zusätzliches Material, dass ich am Anfang oder Ende einfügen kann. Ich habe ja schon über Karten geschrieben, die ich auch nachträglich aufnehme, um zu zeigen, wo ich war. Es gibt auch noch die Möglichkeit, dass ich Aufnahmen zuhause machen, wie ich oder wir die Reise planen. Also Reiseveranstalter aussuchen, Orte wo ich hinmöchte herauspicken, im Internet recherchieren usw. Das kann sein, dass ich da meine Frau einspanne, die dann aufs Wohnzimmersofa hinsetze und sie planen lasse. Das kann aber auch sein, dass ich eine Spielszene im Reisebüro mache, wo ich die Reise gebucht habe. Damit kann ich für andere Zuschauer durchaus meine Reise nochmals besser nachvollziehbar machen und habe dadurch auf noch einen Filmanfang, der die Zuschauer auf die Reise genauso einstimmt, wie es mich beim Aussuchen des Ziels oder beim Buchen tatsächlich auf die Reise eingestimmt hat.
Abschließend muss ich noch schreiben, dass viele dieser Tipps und Tricks für eine gute Reisedokumentation natürlich nicht nur auf die Gesamtdokumentation angewendet werden können. Auch wenn ich nur Einzelaspekte einer Reise dokumentiere, kann ich Vieles davon wiederverwenden. Im nächsten, dem dann dritten Teil der Serie kommen wir auf die Nachbearbeitung zu sprechen.
Serie: Guter Reisefilm – Teil 1: Einzelaspekte einer Reise Serie: Guter Reisefilm – Teil 3: Nicht nur filmen, auch nachbearbeiten
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